Geschwisterkinder sind sozialer und teilen gerne, müssen sich aber stärker durchsetzen. Einzelkinder sind verwöhnt und nicht konkurrenzfähig.“ Solche Vorurteile hört man immer wieder. Doch diese Thesen sind unzutreffend und schon lange widerlegt. Die Wahrheit ist nämlich: Die Geschwisterkonstellation bestimmt nicht schon im Vorhinein, welche positiven und negativen Charaktereigenschaften wir ausbilden werden, sondern ist nur einer von vielen Teilen der individuellen Entwicklung. So mag es für das Erlernen von erfolgreichem menschlichem Miteinander zwar von Vorteil sein, mit vielen anderen zusammenzuleben, doch kann ein Kind sich ebenso gut sozial entwickeln, wenn der Kontakt zu Gleichaltrigen „nur“ in Kindergarten, Schule und Freundeskreis besteht. Trotzdem ist es auch nicht von der Hand zu weisen, dass das Vorhandensein von Bruder oder Schwester lebenslangen Einfluss auf unsere Persönlichkeit hat. Denn selbst falls der Kontakt im Laufe des Lebens abbrechen sollte, bleibt oft eine prägende Basis, die durch langes Zusammenleben, die gleiche Erziehung, ähnliche Wesenszüge oder Erinnerungen und Traditionen für immer ein Teil von uns ist.
GESCHWISTER IM GEISTE
Darüber hinaus drücken die Worte „Bruder“ und „Schwester“ ein spezielles Verhältnis aus, das nicht zwangsläufig den Verwandtschaftsgrad voraussetzt. Deshalb können sich auch nicht verwandte Menschen als Geschwister bezeichnen – im Geiste sozusagen: Berühmtestes Beispiel sind Winnetou und Old Shatterhand, die trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft Blutsbruderschaft schlossen, aber auch im Kloster oder in politischen Gruppierungen begreifen sich Menschen seit Jahrhunderten als Brüder und Schwestern, um ihre besondere Verbundenheit untereinander zu zeigen. Alle diese Beispiele haben jedoch eines gemeinsam: Solidarität und eine ähnliche Gesinnung, die so tiefgreifend sind, dass sie über Freundschaft hinausgehen. Wie unterschiedlich eine Geschwisterbeziehung aussehen kann, erfahren Sie auf den folgenden Seiten in unseren Porträts. Dabei erzählen uns unsere Interviewpartner, was sie besonders an der Beziehung zu ihren Brüdern und Schwestern schätzen, aber zeigen auch, dass diese nicht selbstverständlich ist und man nicht unbedingt immer zusammenfindet.