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Bandscheibenvorfall

Wie Bandscheibenvorfälle entstehen und therapiert werden

Bandscheibenvorfall

Sie sind ein häufiges Rückenleiden, verursachen jedoch gar nicht immer Probleme: Wie Bandscheibenvorfälle entstehen und therapiert werden, erläutern die Fachärzte Dr. Jennifer Reinert und Dr. Mark Reinert.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei den Berufsbezeichnungen nur die männliche Form verwendet, selbstverständlich gelten alle Bezeichnungen für alle Geschlechter

Fast 90 Prozent der Deutschen leiden irgendwann im Laufe ihres Lebens unter Rückenschmerzen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Verschleißerscheinungen, Fehlhaltungen und auch Bandscheibenvorfälle sind einige davon. Wenn die Schmerzen über das Bein bis in den Fuß oder über die Schulter bis in die Hand ausstrahlen, kann das auf einen Bandscheibenvorfall hinweisen.

Was versteht man unter einem Bandscheibenvorfall?

Die Wirbelsäule besteht in der Regel aus 33 knöchernen Wirbeln. Durch den Wirbelkanal auf der Rückseite der Wirbelkörper verläuft das Rückenmark, seitlich treten Nerven aus, die bestimmte Körperregionen versorgen. Zwischen den Wirbeln liegen die Bandscheiben, die aus einem gelartigen Kern bestehen, der von einem Ring aus Knorpelfasern umgeben ist. Sie wirken als Stoßdämpfer zwischen den Wirbeln. Mit den Jahren nimmt die Elastizität der Bandscheiben ab: Sie verlieren Flüssigkeit, werden spröde und rissig. Bei einem Bandscheibenvorfall tritt Bandscheibengewebe zwischen den Wirbelkörpern hervor. Dieses „vorgefallene“ Gewebe kann auf die Nerven im Bereich der Wirbelsäule drücken und sie reizen. Bei den meisten Menschen sind Bandscheibenvorfälle die Folge von Verschleißerscheinungen. Solche Veränderungen sind Teil des normalen Alterungsprozesses – der allerdings individuell verschieden verläuft. Sehr selten kann auch ein Unfall oder eine schwere Verletzung zu einem Gewebevorfall führen.

Die Wirbelsäule besteht in der Regel aus 33 knöchernen Wirbeln. Zwischen den Wirbeln liegen die Bandscheiben.

Wie äußert sich ein Bandscheibenvorfall?

Am häufigsten treten Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule, am zweithäufigsten an der Halswirbelsäule auf. Jedoch muss nicht jeder Bandscheibenvorfall Probleme bereiten. Bei Gesunden findet sich bei mehr als 60 Prozent der über 60-Jährigen im MRT ein Bandscheibenvorfall, der keine Probleme bereitet. Daher ist eine richtige Zuordnung von den geschilderten Beschwerden zu den Veränderungen, die man im MRT sieht, sehr wichtig. Ein Bandscheibenvorfall kann plötzlich einen heftigen „einschießenden“ Schmerz im unteren Rücken auslösen. Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule sind die Hauptursache für Ischialgien. So werden Schmerzen bezeichnet, die über das Gesäß ins Bein bis zum Fuß ausstrahlen. Analog hierzu kann es bei Bandscheibenvorfällen an der Halswirbelsäule zu Ausstrahlungen in den Arm bis in die Hand/Finger kommen. Manchmal kommt es neben den Schmerzen auch zu Gefühlsstörungen, Missempfindungen oder auch Lähmungserscheinungen. Diese Symptome stellen ein Alarmsignal für eine Nervenschädigung dar. Bei Nervenstörungen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule kann es auch zu Störungen der Blasen- oder Darmfunktion kommen. Diese Funktionsstörung stellt einen medizinischen Notfall dar und muss sofort behandelt werden.

Welche Untersuchungen werden gemacht?

Zur Abklärung von akuten Rückenschmerzen reichen eine Befragung und eine körperliche Untersuchung normalerweise aus. Röntgenaufnahmen sind zur Diagnose eines Bandscheibenvorfalls nur wenig geeignet, jedoch können damit bei länger andauernden Beschwerden andere Ursachen ausgeschlossen werden. Weitere Untersuchungen wie zum Beispiel eine Kernspintomografie sind meist dann nötig, wenn Lähmungserscheinungen auftreten, die Blasen- oder Darmfunktion gestört ist, die Schmerzen trotz Behandlung kaum erträglich sind, über Wochen anhalten oder der Verdacht besteht, dass eine andere Erkrankung die Schmerzen verursacht, etwa ein Tumor. Der Arzt hat also bei Rückenschmerzen oft gute Gründe, erst einmal keine aufwendigen Untersuchungen zu veranlassen: Bildgebende Untersuchungen können eine vermeintliche Ursache für die Kreuzschmerzen zeigen, die tatsächlich nichts mit den Beschwerden zu tun hat. Eine solche Fehldiagnose kann wiederum eine überflüssige Behandlung nach sich ziehen, die vielleicht sogar schadet.

Wie behandele ich einen Bandscheibenvorfall?

Die meisten Bandscheibenvorfälle können konservativ behandelt werden. Dabei sind eine gute Schmerztherapie sowie die richtige Bewegung sehr wichtig. In den meisten Fällen lassen sich die Symptome, welche durch Bandscheibenvorfälle bedingt sind, durch konsequente Therapie innerhalb weniger Wochen beheben. Bewegung spielt dabei eine überragende Rolle. Eine Ruhigstellung ist, wenn überhaupt, nur in der ganz akuten Phase von Nutzen. Im Gegenteil sollte eine leichte bis mäßige Belastung angestrebt werden. Dabei kann eine physiotherapeutische Anleitung hilfreich sein, auch um Fehlhaltungen zu vermeiden und um die Muskulatur zu stärken. Viele Patienten empfinden auch Wärmeanwendungen im Bereich des Rückens als angenehm und schmerzlindernd. Die konservative Behandlung des Bandscheibenvorfalls umfasst auch eine medikamentöse Schmerztherapie. Dabei sollte schon zu Beginn auf eine ausreichende Schmerzlinderung geachtet werden, um eine Bewegungstherapie möglich zu machen und einer Chronifizierung des Schmerzes entgegenzuwirken. Nicht-steroidale Antirheumatika wie z. B. Ibuprofen sowie muskelentspannende Medikamente bieten sich hier an. Auch hilft manchen Patienten eine kurzfristige Therapie mit einem Kortisonpräparat. Vorübergehend können bei sehr starken Schmerzen auch stärkere Medikamente aus dem Bereich der sogenannten Opioide notwendig sein. Manchen Patienten hilft eine Injektion. Dabei injiziert der Arzt unter Durchleuchtung eine Mischung aus einem lokalen Betäubungsmittel und Kortison an den betroffenen Nerven.

Wann muss über eine operative Therapie des Bandscheibenvorfalls nachgedacht werden?

Operiert wird immer dann, wenn ein Bandscheibenvorfall zum Notfall wird: Zum Beispiel, wenn vorgefallenes Bandscheibengewebe die Nerven so stark beeinträchtigt, dass die Blase oder der Darm nicht mehr richtig funktionieren oder bestimmte Muskeln sehr geschwächt sind. Dies passiert allerdings eher selten. Der weit häufigere Grund für eine Operation ist, dass sich starke Schmerzen über mehr als sechs Wochen mit anderen Behandlungsmethoden nicht ausreichend lindern lassen. Die Frage, ob operiert werden soll oder nicht, ist jedoch oft schwierig zu beantworten. Voraussetzung für einen Eingriff ist, dass bildgebende Untersuchungen und die Beschwerden klare Hinweise dafür liefern, dass überhaupt ein Bandscheibenvorfall für die Beschwerden verantwortlich ist. Vor der Entscheidung für eine Operation ist es wichtig, das Für und Wider gemeinsam mit dem Arzt sorgfältig abzuwägen.

Wie wird operiert?

Das Hauptziel einer Operation ist es, das Bandscheibengewebe zu entfernen, welches den Nerv reizt. Der Nerv soll wieder mehr Raum bekommen, damit die Beschwerden abklingen können. Dazu kommen verschiedene Operationstechniken infrage: Neben den klassischen offenen Operationsverfahren (mikrochirurgisch) kommen endoskopische Operationsverfahren zur Entfernung des Bandscheibenvorfalls zum Einsatz. Dabei wird der beschädigte Teil der Bandscheibe bzw. der Sequester „unter Sicht“ direkt entfernt – das bedeutet, der Chirurg kann die Operationsstelle direkt mithilfe eines Mikroskops oder Endoskops (Schlüssellochchirurgie) überblicken. Diese Operationen erfordern eine Vollnarkose und meist einen Krankenhausaufenthalt von einigen Tagen. Zu den Risiken der Eingriffe gehören Blutungen, Verletzungen von Nerven und Infektionen.

Außerdem gibt es die sogenannten indirekten Verfahren, bei denen der gelartige Kern der Bandscheibe entfernt wird, um die Bandscheibe zu verkleinern und so den eingeengten Nerv zu entlasten. Bei diesen Verfahren wird zunächst ein Instrument in die Bandscheibe eingeführt, um an den Bandscheibenkern zu gelangen. Der Bandscheibenkern kann abgesaugt werden, was als perkutane Nukleotomie bezeichnet wird. Oder er wird mittels Laserstrahlen durch Hitze verdampft (Laserdiskektomie). Dabei kann es zu Nebenwirkungen wie hitzebedingten Gewebeschäden kommen. Diese Verfahren kommen nur infrage, wenn der äußere Ring der Bandscheibe noch intakt ist.

Die Operation kann Schmerzen und andere Beschwerden wie Einschränkungen der Beweglichkeit längerfristig lindern. Die Schmerzen klingen nach dem Eingriff oft rasch ab. Allerdings verbessert sich die Beweglichkeit häufig erst nach einigen Wochen wieder. Eine Operation garantiert keine Beschwerdefreiheit. Eine Rehabilitation im Anschluss an eine Bandscheiben-Operation kann die Genesung beschleunigen und die Beweglichkeit verbessern.

Manchmal werden bei einem Bandscheibenvorfall auch größere Eingriffe vorgenommen – vor allem dann, wenn neben der Bandscheibe auch die Wirbelknochen durch Verschleiß geschädigt sind und die Wirbelsäule nicht mehr stabil ist. Während der sogenannten Versteifungsoperation verschraubt der Chirurg die Wirbelkörper ober- und unterhalb der betroffenen Bandscheibe so miteinander, dass sie fest in ihrer Position bleiben. Die Bandscheibe wird bei diesem Eingriff entfernt und der freie Spalt zwischen den Wirbeln mit Knochen oder Titan-Implantaten ausgefüllt. Eine weitere Möglichkeit ist das Einsetzen einer künstlichen Bandscheibe (Implantat), ohne dass die Wirbel dabei fest miteinander verbunden werden. Dies soll die Schmerzen beheben und zugleich Bewegungseinschränkungen wie bei der Wirbelsäulenversteifung vermeiden. Beide Verfahren können erhebliche Nebenwirkungen haben. Ihr behandelnder Arzt wird mit Ihnen gemeinsam entscheiden, welches Verfahren in Ihrem Fall am geeignetsten ist.

Und wenn die Schmerzen nicht verschwinden?

In seltenen Fällen verschwinden die Symptome trotz Therapie nicht mehr. Neben körperlichen Einflüssen können psychosoziale Belastungen eine Rolle spielen. Chronische Schmerzen betreffen nicht allein das körperliche Wohlbefinden, sondern gehen oft mit Ängsten oder Zukunftssorgen einher. Hier kann eine interdisziplinäre Therapie durch Schmerzmediziner, Orthopäden, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten notwendig sein. Diese sogenannte Multimodale Schmerztherapie besteht aus Patientenschulung, konsequentem Training, Verhaltenstherapie und ggf. medikamentöser Therapie, um die Funktion und auch die Schmerzbewältigung zu verbessern.

Fazit
Die Diagnose „Bandscheibenvorfall“ wird klinisch getroffen, allein der Nachweis eines Bandscheibenvorfalls im MRT hat noch keine Bedeutung. Die überwiegende Anzahl der Bandscheibenvorfälle kann konservativ mittels Bewegungstherapie und Medikamenten behandelt werden. Sollten Blasen- und Mastdarmstörungen auftreten, ist das ein Notfall, der sofort einem Arzt vorgestellt werden sollte.

DR. JENNIFER REINERT ist Fachärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie. Sie leitet das Zentrum für interdisziplinäre Schmerztherapie muskuloskelettaler Erkrankungen in der Orthopädie an der Uniklinik Homburg, einer stationären Schmerztherapie für chronische Schmerzpatienten. Ihr Hauptklientel sind Patienten mit teilweise seit Jahren andauernden Rückenschmerzen, jedoch auch mit anderen Beschwerden.

Mehr Infos unter www.uniklinikum-saarland.de

DR. MARK REINERT ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie zertifizierter Fußchirurg. Seit 2017 arbeitet er in Saarbrücken-Brebach in einer Gemeinschaftspraxis, dem OCZ-Saar. Dr. Reinert ist sportbegeistert und startet als leidenschaftlicher Orientierungssportler für den TV Oberbexbach. Seit 2017 unterstützt er den Saarländischen Turnerbund STB als Verbandsarzt.

Mehr Infos unter www.ocz-saar.de

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und Globus entstanden. Zu jedem 15. des Monats finden Sie in unserem ­mio-Online-Magazin einen aktuellen Beitrag rund ums Thema Gesundheit.

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