Fasten hat jahrhundertealte Tradition – und ist gleichzeitig populär wie nie. Dr. Marcus Pennekamp erklärt, worauf Sie beim klassischen Heilfasten oder beim modernen Intervallfasten achten sollten.
Woher stammt der Brauch?
Fasten ist der bewusste und freiwillige Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel für eine begrenzte Zeit – im Gegensatz also zu Hungern. Fasten ist eine uralte Tradition, häufig im Zusammenhang mit religiösen Bräuchen. Im Christentum kennen wir die symbolischen 40 Tage der Fastenzeit, die am Aschermittwoch beginnen. Wer genau nachzählt, wird feststellen, dass es 47 Tage bis zum Ostersonntag sind. Die Sonntage wurden von der Kirche nicht mitgezählt. Bekannt ist den meisten Menschen auch der Ramadan, der Fastenmonat der Muslime. Aber Fasten hat nicht nur einen Bezug zur Religion. Dem legendären „Vater der Heilkunde“, dem griechische Arzt Hippokrates von Kos (460 – ca. 377 v. Chr.), wird das Zitat zugeschrieben: „Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente.“
Und so spielt in unserer Zeit das Fasten aus gesundheitlichen Gründen inzwischen wohl eine größere Rolle als das aus religiösen Gründen. Dabei werden oft Begriffe durcheinandergeworfen: Fasten ist nicht gleich „Diät“ und nicht oder nicht in erster Linie dafür gedacht, Gewicht abzunehmen.
Welche Arten von Fasten gibt es?
Wer eine gut sortierte Buchhandlung betritt, muss meist nicht lange suchen. Es gibt buchstäblich hunderte von Ratgebern zum Thema Gesundheit und ganz speziell zu den Themen „richtige Ernährung“, Fitness, Idealgewicht. Den Begriff „richtige Ernährung“ habe ich ganz bewusst in Anführungszeichen gesetzt, denn was „richtig“ ist und was eher schadet, dazu gibt es viele und leider oft auch sehr unseriöse und unwissenschaftliche Veröffentlichungen. Im Internet geht es noch schneller. Zum Thema „Fasten“ findet die Suchmaschine in 0.43 Sekunden „ungefähr 45.800.000 Ergebnisse“. Wie soll man da den Überblick behalten? Ich beschränke mich hier auf zwei Arten des Fastens, nämlich auf das Heilfasten nach Buchinger und das Intervallfasten.
Beim Buchinger-Heilfasten (benannt nach dem deutschen Arzt Otto Buchinger, der 1878 bis 1966 lebte) nimmt man täglich mit Gemüsebrühe, Säften und Honig eine geringe Menge an Energie zu sich. So soll der Stoffwechsel weniger belastet werden. Hinzu kommen Einläufe oder andere Abführmaßnahmen, die der Darmreinigung dienen sollen. Ganz wichtig für diese Form des Fastens ist auch die tägliche Bewegung. Üblicherweise beginnt man das Fasten mit ein bis zwei Entlastungstagen, an denen bereits weniger und bewusster gegessen werden soll. Ebenso werden nach dem Fastenbrechen möglichst mehrere Aufbautage dazu genutzt, die Essensmenge erst langsam wieder zu steigern. Die Befürworter des Heilfastens versprechen „Reinigung und Klärung im Stoffwechsel“ durch „Entschlackung“ und „Entgiftung“ von Darm und Leber, aber auch „klärende Prozesse im seelischen und spirituelle Erkenntnisse im geistigen Bereich“.
Eine andere Form des Fastens ist das Intervallfasten, das in den letzten Jahren auch in wissenschaftlichen Studien untersucht wurde. Anders als das Heilfasten nach Buchinger sollte das Intervallfasten eher langfristig, z. B. über ein halbes Jahr, durchgeführt werden und auch dabei helfen, Gewicht zu reduzieren. Hilfreich soll das Intervallfasten vor allem bei Krankheiten sein, bei denen sich das Übergewicht negativ auswirkt, wie etwa bei der Zuckerkrankheit. Vielen Menschen fällt eine dauerhafte Einschränkung der Ernährung sehr schwer. Beim Intervallfasten können die Menschen z. B. fünf Tage in der Woche so viel essen, wie sie wollen. An den beiden anderen Tagen müssen sie dagegen fasten, d. h. die Kalorienmenge auf unter 500 kcal pro Tag senken (oder einfach nur ein Viertel von dem essen, was sie sonst verspeisen). Alternativ kann man auch einen Fastentag mit einem normalen Tag abwechseln.
Was geschieht genau beim Fasten? Ist es tatsächlich gesund oder kann es sogar gefährlich sein?
Tatsächlich können gesunde Personen bis zu 40 Tage lang fasten. Aber insbesondere für längere Fastenkuren von mehr als einer Woche wird eine ärztliche Betreuung empfohlen. Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sollten grundsätzlich nicht fasten, da die körperliche Entwicklung beeinträchtigt werden könnte. Außerdem sollten auch Schwangere, Stillende, Magersüchtige, Bulimiekranke, Depressive, Bettlägerige und Pflegebedürftige nicht fasten. Diabetiker sollten das oben erwähnte Intervallfasten nicht ohne ärztlichen Rat beginnen, da ihre Medikation auf die starken Schwankungen der Kohlenhydratzufuhr angepasst werden muss. Vor allem bei Patienten, die mit sogenannten Sulfonylharnstoffen (Glimepirid, Glibenclamid) oder Insulin behandelt werden, kann es schnell zu einer gefährlichen Unterzuckerung kommen.
Beim Fasten greift der Organismus auf seine Reserven zurück: Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate. Die Kohlenhydratreserven liegen in der Leber und in den Muskeln und reichen für etwa einen Tag. Danach werden auch Fettdepots und Eiweiß abgebaut. Bei diesen Stoffwechselvorgängen bilden sich chemische Verbindungen, die man Ketone nennt, wie z. B. Azeton, das zu einem charakteristischen und durchaus unangenehmen Mund- und Körpergeruch führen kann. Bei längerem Fasten schüttet der Körper auch sogenannte Glückshormone (Endorphine) aus, um das Ertragen des Hungers zu erleichtern.
Fasten regt nach Studien das Immunsystem an. Alle durch die Ernährung bedingten Krankheiten können durch das Fasten positiv beeinflusst werden. Außerdem kann Fasten entzündliches Rheuma bessern. Fasten wirkt sich auf Körper und Psyche aus, aber diese Auswirkungen sind sehr unterschiedlich. In einer kleinen medizinischen Studie an Teilnehmern einer Fastenwoche wurde festgestellt, dass das Gewicht um ungefähr 2 kg zurückging. Auch die Blutdruckwerte besserten sich. Das Hungergefühl ging nach ein paar Tagen zurück. Die Energie und die Stimmung der Personen besserten sich. Die Schlafqualität war sehr unterschiedlich. Manche berichteten über einen deutlich besseren, andere über einen sehr viel schlechteren Schlaf. Eine Konzentrationsschwäche war über die ganze Woche feststellbar. Kopfschmerzen und Übelkeit traten insbesondere zu Beginn der Fastenzeit auf, während Schwindel und Mundgeruch erst gegen Ende vermehrt wahrgenommen wurden.
Kann ich durch Fasten Giftstoffe aus dem Körper entfernen?
Die Antwort darauf lautet: Nein. „Entschlackung“ ist in der Naturheilkunde ein Begriff für Maßnahmen, die mutmaßliche Giftstoffe und schädliche Stoffwechselprodukte ausscheiden sollen. Es stimmt: Unser Körper wird täglich mit zahlreichen giftigen Substanzen konfrontiert. Die meisten Stoffe stammen jedoch aus dem eigenen Stoffwechsel. Auch Medikamente und Alkohol können schädlich sein. Umweltgifte aus dem Essen und der Luft machen dagegen nur einen kleinen Teil der Schadstoffe aus. Unter normalen Umständen entsorgt unser Körper alle diese Stoffe automatisch: Den größten Teil der Entgiftung übernehmen Leber und Nieren. Die Leber baut beispielsweise Alkohol, Medikamente und auch einen Teil der Umweltgifte ab. Andere Substanzen werden über Niere und Urin ausgeschieden. Weder Abführmittel noch entwässernde Medikamente (Diuretica) erhöhen eine Ausscheidung von Giftstoffen. Auch die Haut entgiftet unseren Körper nicht, wenn wir in die Sauna gehen. Man darf also sagen: Ein gesunder Körper scheidet die Stoffe, die für ihn schädlich sind, aus. Dafür muss man keine Fastenkur durchführen. Bei der sogenannten „Entschlackung“ des Körpers durch Heilfasten handelt es sich um einen Mythos.
Ich will aber abnehmen. Wie steht es mit Fasten zur Gewichtsreduktion?
Die Vor- und Nachteile des Intervallfastens werden derzeit ausgiebig untersucht. Nach den bisherigen Ergebnissen kann Intervallfasten bei der Gewichtsabnahme helfen und auch die Blutzuckerwerte bessern, aber keinesfalls mehr als eine sogenannte Restriktionsdiät. Was verstehen wir unter diesem Begriff? Im Grunde ist es ganz einfach: Verbraucht der Körper mehr Energie, also mehr Kalorien, als er durch Essen zugeführt bekommt, geht das Gewicht runter.
Natürlich kann man eine Phase des Fastens dafür nutzen, in eine Ernährungsumstellung einzusteigen. Ob man einfach weniger Süßigkeiten verdrückt, weniger Limonade oder weniger Alkohol trinkt (auch der hat nämlich sehr viele Kalorien, wie wir vom sprichwörtlichen „Bierbauch“ wissen), das darf jeder für sich entscheiden. Und mehr Bewegung, wie sie das Heilfasten nach Buchinger vorsieht, ist auf jeden Fall immer gut. In einem der Artikel, die ich für diesen Beitrag studiert habe, habe ich eine passende Schlussfolgerung gefunden: Bevor Sie fasten, sollten Sie sich überlegen, warum Sie das wollen? Wollen Sie einmal jährlich Ihr Gewissen beruhigen, um die restliche Zeit des Jahres ungesund zu leben? Wäre es nicht sinnvoller, sich das ganze Jahr über ausgewogen und gesund zu ernähren?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine schöne Fastenzeit,
Marcus Pennekamp
DR. MARCUS PENNEKAMP ist seit 2002 als Internist in einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis niedergelassen – übrigens schon in der dritten Generation. Die Praxis wurde vor über 80 Jahren von seinem Großvater gegründet und von seinem Vater weitergeführt. Dr. Pennekamp besitzt die Zusatzbezeichnungen Naturheilverfahren, Akupunktur und Palliativmedizin.
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und Globus entstanden. Zu jedem 15. des Monats finden Sie in unserem mio-Online-Magazin einen aktuellen Beitrag rund ums Thema Gesundheit.
Weitere Gesundheitsinformationen finden Sie direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung: