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Nur keine Panik

Wenn Panikattacken unseren Alltag bestimmen

Nur keine Panik

Ängste und Unsicherheiten sind ganz normal – jeder Mensch kennt sie. Panikattacken hingegen nehmen Einfluss auf den Alltag und die Lebensqualität der Betroffenen. Diplom-Psychologin Ilse Rohr erläutert Ursachen, Symptome und Behandlung.

Kennen Sie den Unterschied zwischen Angst und Panik? Angst ist ein wichtiger Begleiter im Leben eines jeden Menschen. Sie ist ein Signal, das uns zur Vorsicht mahnt und uns schützt. Kleine Kinder haben Angst vor Dunkelheit oder vor großen Tieren, vor unbekannten Situationen, vor plötzlichen und unbekannten lauten Geräuschen. Später gibt es die Angst, sich zu blamieren, Freunde zu verlieren, abgelehnt zu werden oder zu versagen. Dann die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Angst um die Gesundheit, Angst um die Partnerschaft.

Angst ist ein Signal, das uns warnt:
Sei vorsichtig, mach langsam, verhalte dich mucksmäuschenstill, entferne dich unauffällig oder lauf schnell weg.

Angst im Kindesalter (oder auch später) löst den Reflex aus, Hilfe herbeizurufen. Das Kind weint, schreit – und Mama oder Papa kommt, hilft und beruhigt. Heißt also: Die Angst führt zur Lösung des Problems. Mit dem Größerwerden machen wir die Erfahrung, dass wir Angst überwinden können. Wenn wir die Angst an uns heranlassen, in schlaflosen Nächten nach Lösungen suchen, dann verwandelt sich Angst in Vorsorge und Vorsicht. Das ist hilfreich im Erreichen unserer Ziele und Wünsche. Angst, verstanden als Signal genauer hinzuschauen und nach Lösungen zu suchen, zeigt uns Gefahren auf, die wir im Auge behalten oder aus dem Weg räumen können. Wenn uns etwas gänzlich unbekannt ist, so kann das außer Angst gleichzeitig auch Neugier auslösen. Wir kommen näher – aber vorsichtig. Auf diese Weise sammeln wir unsere Erfahrungen und gewinnen an Sicherheit und Selbstvertrauen. Angst vor Wasser lernt man beispielsweise zu überwinden, indem man vorsichtig mit dem großen Zeh anfängt und später dann vielleicht ein guter Schwimmer wird.

Was aber ist Panik?

Panik ist eine plötzlich auftretende, intensive, höhere Denkprozesse außer Kraft setzende, intensive Angst.

Auslöser:

  1. reale bedrohliche Ereignisse wie Erdbeben, Explosion, Feuer, Einsturz einer Brücke usw.
  2. innerpsychische Ängste, die subjektiv als lebensbedrohlich empfundene Symptome wie Herzrasen, Schwindel, Atemnot usw. hervorrufen

Diese zweite Art Panik kann wie aus heiterem Himmel kommen: beim Autofahren, unter Menschen, beim Einkaufen oder in der Bahn. Symptome sind zum Beispiel Herzrasen, Blutdruck ganz tief oder ganz hoch, Schwindel, Zittern, Luftnot oder Übelkeit.

Wie ist die Panik zu erklären? Kann man sie verstehen? Sind die vermeintlichen Auslöser, das Herzrasen, vielleicht erklärbar?

Auch wenn Sie meinen, Sie gerieten in Panik, weil Ihr Körper auf einmal verrückt spielt, so ist der Ablauf umgekehrt: Die Symptome sind nicht Ursache, sie sind Folge der inneren Panik.

Die Panikattacke kommt aus Ihrem Inneren.

Panik als äußerstes Alarmsignal, als Alarmstufe 1, entsteht, wenn Gefühl und Verstand nicht mehr miteinander vereinbar sind und das Gefühl, der dringende Wunsch „es muss anders werden, so kann es nicht weitergehen“ Tag für Tag unterdrückt wird. Kopf und Bauch, Verstand und Gefühl kommen nicht mehr in Einklang. Körper und Seele halten die Spannung nicht mehr aus. Und dann brennt die Sicherung durch. Sie erleiden eine Panikattacke. Nichts geht mehr. „…höhere Denkprozesse außer Kraft…“, d. h. Verstand, Vernunft, Umsicht und Planung sind außer Funktion, da kurzzeitig „die Sicherung durchgebrannt ist“.

Sie konnten immer gut Auto fahren, aber auf einmal muss Sie jemand irgendwo abholen, weil Sie sich in Panik nicht mehr ans Steuer wagen. Oder Einladungen, bei denen Sie vorher gerne dabei waren, sagen Sie in letzter Sekunde ab, weil Sie sich in Panik ausmalen, was alles passieren könnte. Früher haben Sie Shopping genossen, aber auf einmal gehen Sie nicht mehr aus dem Haus, aus Angst, Sie würden eine Panikattacke erleiden und lägen ohnmächtig und hilflos mitten im Einkaufscenter auf dem Boden.

Panik als äußerstes Alarmsignal entsteht, wenn Gefühl und Verstand nicht mehr miteinander vereinbar sind und das Gefühl, der dringende Wunsch „es muss anders werden, so kann es nicht weitergehen“ Tag für Tag unterdrückt wird.

Was kann helfen?

Denken Sie über Ihr derzeitiges Leben nach. Was in Ihrem Leben wäre wichtig, dass es sich ändert? (Außer der Panik, an die Sie vermutlich als Erstes denken?) Im Beruf? In der Partnerschaft? In der Familie? Im Umfeld? Und glauben Sie, Sie dürften daran nicht rühren, könnten nichts ändern? Sie wünschen sich, es würde anders werden und machen weiter, Tag für Tag, als wäre alles gut?

Dann machen Sie sich bitte klar: Nicht es ändert sich, Sie müssen es ändern bzw. eine Änderung angehen oder anstoßen. Wenn Sie sich das nach und nach eingestehen und klarmachen, dann stehen die Wege offen, die Sie wieder ins Gleichgewicht bringen können. Gefühl und Verstand, Pflichterfüllung und Selbstverwirklichung, es-andern-recht-machen und Achtsamkeit für sich selbst können wieder in ein gesundes, flexibles Gleichgewicht kommen. Seien Sie mutig und ändern Sie Ihre Lebensumstände.

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Weg, um sich von Ihren Panikattacken zu befreien. Wie schon gesagt, sind die körperlichen Symptome nicht Ursache der Panikattacke (obwohl Sie das vielleicht so empfinden), sondern sie sind Folge der Panik. Aber woher kommt die Panik? Wie entsteht sie?

Nehmen wir folgendes Beispiel (frei erfunden):
Frau A ist stark beansprucht durch Familie, Beruf und Haushalt. Auch die Beziehung zum Partner und zu den Kindern soll nicht zu kurz kommen. Und da ist noch die Schwiegermutter: Sie lebt für sich, geht nicht mehr alleine raus, braucht viele Arztbesuche, ist oft bettlägerig und sehr anspruchsvoll. Frau A fühlt sich in ihrem Leben, das schön sein könnte, eingeklemmt, hoffnungslos eingeklemmt. Unterwegs im Auto hat sie immer wieder kurze Fantasien, sie könnte ausreißen oder gegen alle Widerstände einen Urlaub für sich und die Familie ganz weit weg buchen. Diese Fantasien verschwinden schnell wieder, werden ihr kaum bewusst, und stattdessen stürzt eine Gedankenflut auf sie herein, wie z. B. „Das wird nie was, womöglich stürzt das Flugzeug ab, die Oma fällt und hat keine Hilfe und ich bin Schuld, dann stehen wir womöglich beim Einchecken, und ich habe vergessen, die Impfpässe und Corona-Testergebnisse einzupacken, der Garten verkommt völlig und die Nachbarskinder dürfen nicht mehr mit meinen spielen, mein Mann verliert die Arbeit, ich werde versetzt in die Abteilung, die so schrecklich ist…“ usw.

Blitzschnell werden ihre kurzen erfreulichen Fantasien überflutet mit grässlichen Vorstellungen von lauter Katastrophen. Und dann kommt die Panik. Es sind diese eigenen, selbst fabrizierten Gedanken, die die Panik hervorrufen. Kaum hat Frau A den Anflug von Sehnsucht nach einem anderen Leben, kommen die Katastrophengedanken wie schreckliche Monster, die sie alle noch mehr einzwängen, die ihr die Verantwortung für alles, was im Leben schief gehen könnte, aufbürden, sie ist schuld an allem. Da bekommt sie Herzrasen, es wird ihr schwindlig und schlecht, sie gerät in Panik und sie fährt rechts ran und kann nicht mehr weiterfahren. Das wiederholt sich – mit unterschiedlichen vorgestellten Katastrophen – ein paarmal, dann traut sie sich gar nicht mehr Auto zu fahren und fühlt sich wertlos und als Versager. Was kann sie dagegen tun?

Wir alle, jeder von uns, hat eigene Denkgewohnheiten. Wer ängstlich erzogen wurde, Ach Gott, Kind pass auf!, dessen Gehirn hat andere automatische Denkabläufe vorprogrammiert als jemand, für den Sei aber vorsichtig oder Wir drücken dir die Daumen oder generell Alles Gute! von früh an Wegbegleiter ins Leben war.

Die moderne wissenschaftliche Hirnforschung hat nachgewiesen, dass frühe, im Lauf der Entwicklung gemachte Erfahrungen und Erlebnisse, im Gehirn – auch unbewusst – abgespeichert sind und so ebenfalls unbewusst Denk- und Verhaltensabfolgen begünstigen, die den bisherigen Erfahrungen entsprechen. Gleichzeitig ist ebenso wissenschaftlich erwiesen, dass diese Denk- und Handlungsmuster, unser nicht unbedingt bewusstes Gedächtnis, im Gehirn „überschrieben“, modifiziert, erweitert werden kann. Auf unsere Fragestellung übersetzt heißt das: Wo bisher Das geht sowieso schief im Gedächtnis abgespeichert ist, können neue Wege gebahnt werden, die sich zu Das krieg ich hin entwickeln.

Wenn Frau A in sich hineinschaut, merkt sie, dass jeder Gedanke, sie könnte etwas Gutes für sich selbst tun, sofort unterbrochen wird. Die guten Gedanken werden vertrieben von Vorstellungen von Katastrophen und Unheil, die sie unter Zittern abhalten, noch irgendeinen positiven Gedanken zu wagen. Wenn Frau A in ihrer Selbstbeobachtung und in ihrem Selbstverständnis so weit gekommen ist, kann sie anfangen gegenzusteuern. Sie kann allmählich ihr Selbstvertrauen stärken und sich bewusst machen, dass sie eine erwachsene Frau ist, die mit den Anforderungen des Lebens zurechtkommt. Frau A kann sich vor Augen führen, was sie schon alles in ihrem Leben gut hingekriegt hat, dass sie noch für jede schwierige Situation Lösungen gefunden hat, dass ihr Mann und ihre Kinder zu ihr stehen und schon dauernd sagen, sie soll sich mal eine Auszeit nehmen, und für die Schwiegermutter gibt es Alternativen, wie sie in Abwesenheit gut versorgt sein kann.

Bei diesen Gedanken kommt keine Panik auf. Es sind ermutigende Gedanken, ihre Vorstellung von einem schönen Urlaub weiter zu prüfen, um ihn zu ermöglichen und umzusetzen. Und wenn die Monstergedanken wiederkommen wollen, entzieht sie ihnen den Boden, indem sie sich ihre eigenen Fähigkeiten und Stärken bewusst macht. Hat sie ihr Leben in Ordnung gebracht, so dass Pflichterfüllung und eigene Bedürfnisse in einem guten flexiblen Gleichgewicht sind, wird „Panikattacke“ zu einem Fremdwort werden, an das sie sich nur noch aus der Ferne schwach erinnert.

Schon mit diesen Anregungen können manche Menschen ihre Panikattacken in den Griff bekommen, vielleicht auch Sie. Falls Sie dauerhaft unter Panikattacken leiden, sollten Sie keine Scheu haben, Hilfe zu suchen. Sprechen Sie mit Ihrem Hausarzt, einem anderen Arzt Ihres Vertrauens, einem psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten oder mit einem Psychiater. Man wird Ihnen professionell helfen.

ILSE ROHR ist niedergelassene Diplom-Psychologin und Psychotherapeutin aus Neunkirchen/Saar.

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und Globus entstanden. Zu jedem 15. des Monats finden Sie in unserem ­mio-Online-Magazin einen aktuellen Beitrag rund ums Thema Gesundheit.

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