Zur Historie
Im Jahr 1919 wurden erstmals Zusammenhänge zwischen Rachitis („Englische Krankheit“, ungenügende Knochenmineralisation bei Kindern) und Sonnenbestrahlung oder Bestrahlung mit künstlichem UV-Licht erkannt. Gleichzeitig wurde in Experimenten nachgewiesen, dass Rachitis durch ein Ernährungsdefizit ausgelöst wird und dass sie durch Vitamin-D-haltige Nahrungsmittel, wie Butter, Milch und v.a. durch Lebertran, geheilt werden kann.
Welche Bedeutung hat Vitamin D für den menschlichen Organismus?
Bei Kindern kommt es bei Vitamin-D-Mangel mittelfristig zu einer Rachitis mit Knochenverformung, Störung der Wachstumsfugen, Achsenabweichung und beeinträchtigter Knochenmineralisation. Bei Erwachsenen kommt es zur sogenannten Osteomalazie: Das Risiko einer Osteoporose steigt; daraus resultiert eine erhöhte Knochenbruchgefahr. Außerdem können diffuse Knochen- und Muskelschmerzen oder eine Muskelschwäche auftreten. Ein gestörter Calciumstoffwechsel bei Vitamin-D-Mangel kann sich auch am Nervensystem äußern mit Neigung zur Tetanie (Übererregbarkeit der Nerven und Muskeln), mit abgeschwächtem Muskeltonus oder mit allgemeiner motorischer Entwicklungsverzögerung. Ein niedriger Calciumspiegel im Blut durch Vitamin-D-Mangel kann zu Herzrhythmusstörungen führen, aber auch eine erhöhte Infektanfälligkeit auslösen. Darüber hinaus vermuten Wissenschaftler zahlreiche weitere Vitamin-D-Wirkungen, die derzeit erforscht werden. Relativ unumstritten ist, dass ein guter Vitamin-D-Status Stürze und Knochenbrüche verhindern kann.
In Forschungen zeigen sich Hinweise auf einen positiven Einfluss von Vitamin D auf verschiedene Funktionen unseres Immunsystems. Speziell bei Covid-19 hat man festgestellt, dass die Schwere einer Infektion mit dem Ausmaß eines Vitamin-D-Mangels korreliert. Vitamin D zeigt nach neuen Analysen eine Schutzwirkung gegenüber Atemwegserkrankungen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat zahlreiche Studien ausgewertet und kommt dabei zu folgendem Ergebnis: Bei einer ausreichenden Vitamin-D-Einnahme aller Deutschen über 50 Jahre könnten möglicherweise bis zu 30.000 Krebstodesfälle pro Jahr vermieden werden und mehr als 300.000 Lebensjahre gewonnen werden. (Wie diese Wirkung zustande kommt, ist bisher noch ungeklärt.) Dabei betonen die Autoren, dass die Vitamin-D-Gabe keinesfalls eine spezifische Antikrebstherapie ersetzt!
Wie kann es zu einem Mangel an Vitamin D kommen?
Die Vitamin D-Versorgung kann nur zum geringen Teil (10–20 %) über die Nahrung erfolgen, der größte Teil (80–90 %) muss über die Vitamin-D-Bildung in der Haut unter UV-B-Einstrahlung des Sonnenlichts sichergestellt werden. Dies gelingt aber nur unter optimalen Bedingungen, nämlich wenn die Sonne mittags am höchsten steht, bei wolkenlosem Himmel ausreichend lange scheint und wir Zeit haben, uns regelmäßig (mindestens 2–3 Mal pro Woche) mit ca. 25 % der Körperoberfläche (Gesicht, Hände, Arme) ungeschützt durch Sonnenblocker für ca. 30 Minuten dem Sonnenlicht auszusetzen. Deswegen fällt hauptsächlich in den sonnenarmen Herbst- und Wintermonaten die natürliche Vitamin D-Bildung in der Haut stark ab, so dass es zu Mangelerscheinungen kommen kann. Es wird geschätzt, dass in den Wintermonaten bis zu 80 Prozent der Bevölkerung einen Vitamin D-Mangel aufweisen, wobei je nach Wohnort (Stadt, Land) und Lebensstil große Unterschiede auftreten können.