Schlafen während der Arbeit? Klingt erst einmal unverschämt und nach Faulheit – doch in einigen Unternehmen ist dies schon Praxis. Großkonzerne wie Google, Amazon und Nike entdecken den Vorteil des Power Nappings für die Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter immer mehr. Aber hilft uns das kurze Abschalten wirklich beim Auffüllen unserer Reserven? Und was müssen wir dabei beachten, damit wir anschließend nicht erst recht müde sind? So gelingt der Minutenschlaf.
Im Osten nichts Neues
Was in der westlichen Welt noch in den Kinderschuhen steckt, ist im asiatischen Raum bereits an der Tagesordnung: Vor allem in Japan stellt „Inemuri“ eine Kulturtechnik mit langer Tradition dar. Übersetzt bedeutet das so viel wie „anwesend sein schlafen“, also ein nicht besonders tiefer Schlaf, der überall und auch in Gesellschaft stattfinden kann. Im Gegensatz zu unserem Nickerchen wird sich dafür also nicht aufs Sofa zurückgezogen, sondern in U-Bahn, Büro oder mitten auf dem Stadtplatz geratzt. Da Ruhe und Stille dafür keine Voraussetzung sind, sieht man gerade in Großstädten wie Tokio allerorts Menschen mit geschlossenen Augen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Im asiatischen Raum sind Menschenmengen in öffentlichen Verkehrsmitteln und auf großen Plätzen allgegenwärtig. Die Tatsache, dass Japan eine Inselnation ist, erhöht die Enge zusätzlich. Strategien, um sich in einer chronisch überfüllten Umgebung wohlzufühlen, sind hier also besonders wichtig. Ein Weg ist die Abschottung in den Minutenschlaf. Da Japaner Rücksichtnahme und Respekt hoch schätzen, gelingt Inemuri vielerorts ohne Störung. Im Gegenteil zu unserer Leistungsauffassung kann ein kurzes Schläfchen am Arbeitsplatz außerdem signalisieren, dass man sich zuvor sehr angestrengt hat. Was bei uns also eher zu einer Kündigung führen würde, führt in Japan möglicherweise sogar zur Beförderung.

Gerade in Großstädten wie Tokio sieht man allerorts Menschen mit geschlossenen Augen – auch in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Power Napping in der Öffentlichkeit ist in der fernöstlichen Inselnation auch aus einem weiteren Grund relativ bedenkenlos möglich: Japan besitzt eine der niedrigsten Kriminalitätsraten der Welt. Die Gefahr, dass das kurze Nickerchen in der Innenstadt von Taschendieben ausgenutzt wird, ist also deutlich geringer als in unseren Breiten.